Bericht über die Großbaustelle am Brenner
Kurzfassung
Streckenbeschreibung
Die Brennerstrecke ist ein Herzstück der 2.200 km langen Eisenbahnachse Berlin−Palermo (TEN-Projekt Nr. 1). Durchschnittlich fahren auf dem öster-reichischen Teil der Brennerstrecke im Nah- und Fernverkehr rund 240 Züge mit bis zu 5.000 Fahrgästen täglich.
Ausgangssituation
Die 2-gleisige Gebirgsstrecke mit bis zu 25 ‰ Steigung ist aufgrund dieser hohen Frequenz starken Belastungen ausgesetzt. Laufend werden kleinere Sanierungs-arbeiten entlang der Strecke ausgeführt. Zum letzten Mal im größeren Rahmen saniert wurde der 32 km lange österreichische Streckenteil vor rund 30 Jahren.
Anfang 2009 wurde eine Machbarkeitsstudie erstellt, die als Ziel eine gewerkeübergreifende streckenbezogene Lösung bringen sollte, sodass durch konzentrierten Arbeitseinsatz sichergestellt wird, dass für einen Zeitraum von zumindest 10 Jahren nur planmäßige Instandhaltungsarbeiten erforderlich werden.
Abgeleitete Maßnahmen
Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurden drei umfassende Maßnahmenblöcke ermittelt:
1. Block: Die Erneuerung von insgesamt 32 km Gleisanlagen verbunden mit einer generellen Untergrundsanierung auf 5 km Länge und Entwässerungsmaßnahmen (neue Tiefendrainagen und die Sanierung zahlreicher Durchlässe ) auf 20 km Länge.
2. Block: Die Sanierung von 3 Tunnelgewölben mit der Umsetzung von Tunnel-Sicherheitsmaßnahmen (Jodoktunnel 480 m, Stafflachtunnel 283 m, Mühltaltunnel 871 m)
3. Block: Die Erneuerung von zwei Brücken und einer Stützmauer (Vikarbachbrücke, Stützweite 20 m, Stahltragwerk mit durchgehendem Schotterbett − Antransport über Schiene; Sillbrücke, Stützweite 20 m, WIB-Tragwerk − Errichtung unter Hilfsbrücken, hydraulischer Anhub)
Auf der gesamten Strecke wurden zudem die Energieversorgung verbessert sowie planmäßige Inspektions- und Wartungsarbeiten eingetaktet.
Entscheidungsprozess
Nach Analyse dieser Ergebnisse wurden mehrere Ausführungsvarianten mit unterschiedlichen betrieblichen Rahmenbedingungen (Arbeiten auf mehrere Jahre aufgeteilt bis zu einer 3 monatigen Streckenunterbrechung) intensiv untersucht. Ziel war es, starke Einschränkungen für den Güterverkehr und die Fahrgäste über mehrere Jahre zu vermeiden.
Fixiert wurde die Ausführung der sogenannten 1-3-6-Bauvariante im Jahr 2012: eine einmonatige Gesamtsperre im August 2012, 3 Monate Einschränkungen durch wechselnde eingleisige Abschnitte im Juni, Juli und September 2012 und an weiteren 6 Wochenenden Gesamtsperren.
Öffentlichkeitsarbeit
Unmittelbar nach Abschluss der Machbarkeitsstudie wurde mit umfassender Öffentlichkeitsarbeit begonnen.
Baustellenvorbereitung
Der gesamte Baustellenbereich konnte nur gleisgebunden versorgt werden. Wesentliche Bestandteile der Baustellenvorbereitung waren daher baubegleitende betriebliche Maßnahmen (Fahrplantrassen für Logistikfahrten, Zuggarnituren für Transportumläufe) sowie ein ausgeklügeltes Logistikkonzept (Einsatz von Arbeitslokomotiven ca. 32.000 HR, Transport von 64 km Schienen, 53.000 Schwellen, 60.000 t Oberbauschotter bei 50 % Recyclinganteil, 20.000 t Sanierungsmaterial, 80.000 t Abraum, 7.000 t Altstoffe)
Ausführung – Maschinen und Personaleinsatz
Arbeitslokomotiven:
Baustellenabwicklung mit Produktion GmbH verstärkt durch Fa. RTS: Ø 16 Triebfahrzeuge/Tag im Einsatz
Logistische Herausforderung: Zeitgerechter Mitarbeiter-Wechsel (auch bei Triebfahrzeugführern) verteilt auf 32 km Strecke
Großbaumaschinen mit Einsatztagen:
- Unterbauplanumsverbesserungsmaschine PM 200: 36 Tage
- Gleisumbaumaschine SUZ 500: 26 Tage
- Oberbaubettungsreinigungsmaschine RM 80: 44 Tage
- Schienenschleifmaschine SPENO: 18 Tage
- Maschinelle Durcharbeitungsmaschinen: 67 Tage
Personaleinsatz – 3 Schichten 7 Tag/Wo:
Durchschnittlich 350 MA in der Hauptbauphase (bis max. 400 MA) im Einsatz, davon:
Arbeitszugführer durchschnittlich 35 MA (bis max. 60 MA); Sicherungsposten durchschnittlich 60 MA (bis max. 80 MA)
Auf Grund unvorhersehbarer Kapazitätsengpässe bei Nebenfahrtleitern und Sicherungsposten, mussten zusätzliche Kräfte aus eigenen Abteilungen und Fremdfirmen organisiert werden.
Rd. 160.000 Std. waren ÖBB-Mitarbeiter in der Hauptbauzeit im Einsatz, rd. 100 MA/Jahr.
Nicht planbare besondere Vorkommnisse
Felsabbrüche, Vermurungen, Überschwemmungen und Hangrutschungen nach mehreren außergewöhnlichen Starkregenereignissen (Dauer der Verzögerung: minimal, da kurzfristig auf die vorhandenen Baugeräte zugegriffen werden konnte)
Entgleisung einer entrollten Arbeitszug Garnitur (Schweiß- und Schraubmaschine) am 12.08.2012
Dauer der Bergung und Behebung der Schäden 5 Tage, Verzögerung des Bauablaufes durch kurzfristige Anpassung der Logistik und Arbeitsabläufe auf 1 Tag minimiert
Streckenunterbrechung zwischen Brenner/Brennero und Gossensass/Colle Isarco
Erfolgsfaktoren
Langer zeitlicher Vorlauf, klare Verantwortungszuordnung, präzise Ablaufplanung, infrastrukturweite Unterstützung, aktive Öffentlichkeitsarbeit mit Installierung einer Ombudsstelle, engagierte MitarbeiterInnen.